Die Rogers hauen morgen ihre neue Platte „Mittelfinger für immer“ auf den Markt, es ist also allerhöchste Zeit reinzuhören. Auf dem Schirm habe ich die Düsseldorfer seit ihrem letzten Release „Augen Auf“ 2017 und seither laufen die Songs regelmäßig hoch und runter. Ich war also sehr gespannt auf neues Material, und als die erste Single „Zu spät“ raus kam, wusste ich, dass ich das Teil haben muss.
Das Auge hört mit
Es ist lange her, dass wir Bandname und Albumtitel auf einem Albumcover vorfanden! Ist das schon wieder Retro? Naja, jedenfalls gibt’s den klassischen Rogers-Schriftzug – dieses Mal in Gold – und darunter die Illustration eines Handschlags. Es lassen sich zwei verschiedene Typen ausmachen: Die Person, die in den Handschlag noch den Mittelfinger einbaut, trägt kariertes Hemd, zeigt Narben und eben auch Attitüde. Auf der anderen Seite gibt’s den Anzugträger, der aufgrund des Verbands angeschlagen wirkt. Da lässt sich natürlich viel rein interpretieren, es gibt schließlich genug Symbolik im Beschriebenen. Ich muss immerzu an „Fuck Authority“ von Pennywise denken, warum nur!?
Mucke Mucke Mucke
Ich habe es im Intro schon angedeutet: „Zu spät“, die erste Singleauskopplung, hat mich förmlich weggeblasen. Dieser Song ist ein Kracher, und dass Ingo von den Donots darauf auch noch etwas zu sagen hat, setzt noch eine Kirsche oben drauf. Den Titeltrack „Mittelfinger für immer“ gab es in der zweiten Release-Runde und auch hier wurde deutlich, dass die Rogers den Schwung aus „Augen Auf“ mitnehmen und verfeinern. Man hat ja immer so ein wenig Angst, dass Bands sich zu viel in Richtung Pop entwickeln/bewegen, davon ist hier jedoch keine Spur.
Bereits der Opener des Albums „Einen letzten Abend“ gibt die Richtung vor und überzeugt mit genug Sportgitarren und der markanten Stimme von Chri. Die Rogers gehören übrigens zu dem kleinen Kreis an Bands, die deutsch singen und trotzdem den Weg in meinen Ohren finden. Ich war von Beginn an Fan englischer Texte und die eigene Muttersprache war mir oft zu billig eingesetzt. Die Rogers verpacken ihre Texte clever, ohne die Aussage zu verschleiern, das gefällt mir und genau so geht es auf „Mittelfinger für immer“ weiter.
Auch der vierte Song der Platte „Schon Okay“ lässt die Wucht der vorangegangenen Tracks nicht abreißen, erst „Geh mir nicht mehr auf die Eier“ nimmt den Fuß ein wenig vom Gaspedal. Das Instrumental dieser Nummer bringt mit den Melodien ein wenig Abwechslung ins Spiel, der Refrain ist textlich der Einzige, der mir nicht reinläuft. Das ist mir dann doch zu einfach gestrickt. Ich würde allerdings wetten, dass diese Worte live prächtig funktionieren.
„Wo immer du gerade bist“ ist so ein bisschen der Radiosong der Platte, gespickt mit Akustikklampfe im Intro und melancholischem Text- & Songaufbau. „Ganz nach oben“ rechnet deutlich mit dem Thema Glauben/Kirche ab und das in schönstem Punkrock-Gewand: Schnell, rotzig und zum Mitgrölen. Vorsicht, Hitgefahr! „Hartes Leben“ zeigt, wie vielseitig die Rogers sein können, denn hier gibt’s ein wenig Rap mit auf den Weg, vor allem durch Gastrapper Schmiddlfinga. Bereits beim ersten Mal hören, musste ich direkt an den Donots-Song „Hier also weg“ denken, denn die Harmonien und die gesprochenen Worte weisen für mich eine große Ähnlichkeit auf. Das soll keinesfalls negativ gemeint sein, im Gegenteil.
„Wo gehör ich hin“ gibt es ja bereits im Netz, nimmt wieder ein wenig Tempo raus, bevor „Wer wirft den ersten Stein“ aber so richtig die Punkrock-Keule auspackt,
bis sich die Nummer im Refrain zur absoluten Gute-Laune-Nummer aufbaut, zumindest musikalisch. „Gott ist tot, es lebe das Geld“ lauten die letzten Worte im Chorus, was das zu bedeuten hat, muss ich wohl nicht ausführen.
„Weit weg“ beherbergt dann wieder mehr Melancholie und Herzschmerz, die Rhythmus-Sektion treibt die Vocals jedoch weiter fleißig an und verfällt nicht in ein seichtes Tongeplänkel, wie man es erwarten könnte. Song Nummer 12 lädt wieder zum Entspannen und Durchschnaufen ein. Und auch hier – im Vers – hatte ich direkt die Band „Muse“ im Kopf. Vielleicht ein wenig weit hergeholt, aber diese Art von Melodiestrukturen nutzen die Engländer oft in ihren Musikstücken.
Die vorletzte Nummer „Ich bleibe hier“ gehört für mich zu den schwächeren Stücken, wobei der Begriff „schwach“ auf der Platte wirklich vorsichtig verwendet werden sollte, denn bei 14 Songs (13 eigene und das Jennifer-Rostock-Cover „Es war nicht alles schlecht“) haben die Rogers eine Qualität auf Platte gezaubert, die mich wirklich beeindruckt! Sie schaffen es, ihre Songs mit mehr Ohrwürmern auszustatten, ohne jedoch den „Bums“ oder die Aussage zu verlieren und das gelingt den Wenigsten.
Anspieltipp
Definitiv „Zu spät“ und „Ganz nach oben“.
Recording
Natürlich ist auch hier die Qualität auf höchstem Niveau. Das Instrumental ist ausbalanciert, sodass Melodien gut rausstechen und die Refrains genug Zerre & Wucht haben. Die Vocals stehen deutlich über dem ganzen Konstrukt und was soll man sagen: Das macht einfach Spaß. Das Einzige, was sich für mein Empfinden zum Vorgänger „Augen Auf“ deutlich verändert hat, ist der Drumsound: Der klingt jetzt noch massiver und wirkt nicht mehr ganz so rotzig.
Fazit
Mit der neuen Platte gibt’s für die Rogers nur einen Weg: „Ganz nach oben“, haha. Sie knüpfen dort an, wo das letzte Album aufgehört hat, packen noch mehr Mitsing-Parts in die neuen Tracks und lassen das Ganze trotzdem noch Punkrock bleiben. Ich bin begeistert, legt euch das Ding zu.